Seetagebuch 21. – 31.01.2012

Tag 5, 21.01.2012

Heute morgen nach dem Fruehstueck habe ich den von aussen als Abstellkammer getarnten Fitnessraum auf dem D-Deck tatsaechlich gefunden und gleich mal ein wenig gesportelt.

...

Gegen sechzehn Uhr kam zum ersten Mal seit vier Tagen Land in Sicht und eine Stunde spaeter kaempfte sich das kleine Lotsenboot durch die doch recht hohen Wellen, von denen man an Bord dieses riesen Pottes gar nichts mitbekommt.

 

Kurz darauf nahmen uns auch zwei Schlepper im geschuetzten Bereich des Hafens von Pecem in Empfang und bugsierten uns an die Kaimauer. Nachdem anschliessend die Grenzer an Bord waren und unsere Paesse kontrolliert hatten, konnten wir endlich an Land!

 

Freundlicherweise wurden wir vom Agenten mitgenommen, der uns im etwa drei Kilometer entfernten Zentrum von Pecem absetzte. Da es schon dunkel war, begnuegten wir uns damit einmal ueber den direkt am Strand gelegenen Hauptplatz des Dorfes zu schlendern und uns das bunte Treiben eines Samstagabends anzuschauen, bevor wir uns in eine der zahlreichen Kneipen am Platz setzten und einige der mit umgerechnet 1,75 Euro erfreulich guenstigen Caipirinhas verkosteten. Gegen eins waren wir zurueck an Bord, schauten noch ein Weilchen beim Beladen des Schiffes zu und fielen anschliessend ziemlich fertig ins Bett.

 

 

Tag 6, 22.01.2012

Heute morgen um sechs verliessen wir mit einigen Kuehlcontainern mehr an Bord den kleinen Hafen von Pecem und es ging los auf die zehntaegige Atlantikueberquerung nach Rotterdam. Nach einem entspannten Seetag mit schoenem, ruhigen Wetter trafen wir uns wie mittlerweile fast jeden Abend mit den Offizieren in der Bar, wo Seemannsgeschichten erzaehlt wurden und wir bis um halb zwei versackten.

 

 

Tag 7, 23.01.2012

Das Wetter ist umgeschlagen, es ist diesig, hin und wieder gibt es kraeftige Schauer und das ausgerechnet heute, wo wir uns doch eigentlich ein wenig an Deck sonnen wollten. Hoffentlich haben wir dazu noch einmal die Gelegenheit, bevor wir den europaeischen Winter erreichen.

 

Gestern Nacht haben wir den Aequator ueberquert, heute Nacht stellen wir die Uhren eine Stunde vor – die Heimat kommt unaufhoerlich naeher!

 

 

Tag 8, 24.01.2012

Das Wetter hat sich kaum veraendert, hoechstens der Wind hat etwas zugenommen, wodurch die dunkelblaue Wasserwueste von kleinen weissen Schaumkronen uebersaet ist. Trotzdem liegt das grosse Schiff sehr ruhig in den Wellen und neigt sich nur sehr gemaechlich von der einen zur anderen Seite. Gegen Mittag durchbrach die Sonne immer haeufiger die dichte Wolkendecke und wir unternahmen mal wieder einen kleinen Decksspaziergang zwischen den Containern hindurch zum Bug und zurueck zum Achterdeck. Am Abend ging es dann zum obligatorischen Termin an der Bar und nach einigen frisch Gezapften zurueck „auf Kammer“ in die Koje.

 

 

Tag 9, 25.01.2012

Heute Morgen war nach dem Fruehstueck ein Rundgang durch den Maschinenraum angesagt. Der erste Ingenieur fuehrte uns fast zwei Stunden lang durch den Bauch des Schiffes und erklaerte uns alles. Wirklich bemerkenswert, was es dort unten alles zu sehen gibt: Vier grosse Hilfsdiesel, die die komplette Stromversorgung an Bord sicherstellen, eine Seewasserentsalzungsanglage, eine Klaeranlage und natuerlich das Herzstueck, die ueber 60.000 PS starke Hauptmaschine. Letztere ist so gross wie ein kleines Haus und erstreckt sich mit ihren acht riesigen Zylindern ueber drei Stockwerke. Da die Maschinen mit Schweroel fahren, das bei Zimmertemperatur fest ist, gibt es zig Tanks zum aufwaermen des Treibstoffes, beheizte Leitungen und mehrere Zentrifugen, die das Oel vor der Verbrennung reinigen. Ein riesen Aufwand, wenn man bedenkt, dass alles was dabei rauskommt, eine sich drehende Welle ist.

 

Das Wetter ist nach wie vor recht warm, jedoch sehr diesig, so dass man sich beim Blick aus dem Fenster etwas verloren vorkommt. Ueberall nur Wasser und da der Blick nichteinmal bis zum Horizont reicht, scheint man in einer Blase der Einsamkeit gefangen.

 

Wie wir abends vom Kapitaen erfuhren, wird die schlechte Sicht durch Saharasand hervorgerufen, der zu dieser Jahreszeit durch den Wind ueber den Atlantik geblasen wird.

 

 

Tag 10, 26.01.2012

Heute ist die Sicht wieder besser, trotzdem ist der Himmel zum Grossteil von Wolken verhangen und die Temperatur ist spuerbar gesunken. Im laufe des Tages passierten wir die Kap Verden ausser Sichtweite – Europa, wir kommen!

 

Am Nachmittag statteten wir dem wachhabenden zweiten Offizier einen Besuch auf der Bruecke ab. Im Moment gibt es dort nicht viel zu tun, es geht ja eh nur geradeaus und der Autopilot laeuft. Einem anderen Schiff begegnet man in diesen Gewaessern nur hoechst selten, trotzdem muss natuerlich einer auf der Bruecke sein und Ausschau halten.

 

 

Tag 11, 27.01.2012

Seit fuenf Tagen kein Land in Sicht und obwohl aussenbords immerzu ausschliesslich Wasser und Himmel zu sehen ist, sieht es jeden Tag anders aus. Die Farbe des Wassers veraendert sich staendig zwischen einem hellen Azurblau und einem fast schwarzen Dunkelblau, mal ist der Horizont nur schemenhaft im Dunst zu erkennen und mal ist er klar und hart, wie mit einem Lineal gezogen.

 

 

Tag 12, 28.01.2012

Mittlerweile wird es draussen von Tag zu Tag merklich kuehler, noch sind wir aber mit knapp 20 Grad Aussentemperatur im recht angenehmen Bereich unterwegs, auch wenn es sich an Deck bei kraeftigem Wind deutlich kaelter anfuehlt.

 

Am Nachmittag sahen wir mit Madeira zum ersten Mal seit Brasilien wieder Land. Um kurz nach fuenf passierten wir frueher als erwartet die Insel, der Kapitaen prophezeite beim Fruehstueck naemlich zwischen sechs und sieben Uhr, aber Nautik ist eben, wenn man trotzdem ankommt, sagt der Chief (1. Ingenieur).

 

 

Tag 13, 29.01.2012  

Langsam geht es auf Europa zu, es sind immer haeufiger andere Schiffe zu sehen und auch der Crew merkt man an, dass die entspannte Atlantikueberquerung passe ist. Immerhin hat der Wind nachgelassen und die Sonne laesst sich wieder haeufiger blicken. Der zu dieser Jahreszeit oft rauhe Nordatlantik scheint uns zumindest vorerst gnaedig zu empfangen.

 

 

Tag 14, 30.01.2012

Beim ersten Blick aus dem Fenster heute sah ich den offenen Atlantik daliegen wie einen Ententeich und die Sonne strahlte von einem babyblauen Himmel. Die fuer Ihre schweren Seen beruechtigte Biskaya zeigte sich den gesamten Tag ueber lammfromm, was ich am Nachmittag zu einem schoenen Decksspaziergang nutzte.

 

 

Tag 15, 31.01.2012

Nachdem wir gestern Abend noch etwas an der Bar versackt sind und dazu noch in der Nacht die Uhr um eine Stunde, auf MEZ, vorgestellt werden musste, haben wir heute morgen erstmal bis zum Mittagessen geschlafen. Ansonsten passierte nichts aufregendes, am Abend ging es in den Aermelkanal hinein und morgen Mittag werden wir mit Rotterdam unseren ersten europaeischen Hafen anlaufen.  

Kommentar schreiben

Kommentare: 0