Seetagebuch 17. – 20.01.2012

Tag 1, 17.01.2012

Heute morgen wurden wir um acht am Hotel in Santos abgeholt. Der Fahrer, der aussah wie eine Mischung aus Kojak und Horst Tappert, lud unsere Rucksaecke in den Kofferraum des ziemlich runtergekommenen Kombis und verplombte diese erstmal, ohne vorher hineinzuschauen.

...

Nachdem er unsere Paesse eingesammelt hatte, ging es einmal durch die Stadt bis ins Hafengebiet, wo wir an einer Polizeistation hielten. Kojak Tappert (oder Horst Kojak?) verschwand mit unseren Paessen darin. Wir meinten in der Ferne „unser“ Schiff ausmachen zu koennen und dachten, dass wir gleich schon an Bord gehen koennten. Weit gefehlt, als der Fahrer nach einigen Minuten zurueck war, ging es wieder aus dem Hafen heraus und weiter durch die Stadt bis zum Buero des Fahrservice, wo wir nach einigem Warten in ein anderes, deutlich neueres Auto mit anderem Fahrer umsteigen mussten. Dieser fuhr uns zunaechst in einem rasanten Tempo mit mehreren Zwischenstopps kreuz und quer durch die Stadt: Erst musste er noch seinen Ausweis fuer den Hafen abholen, dann ging es zum Hamburg Sued Buero und schliesslich weiter zum Zoll. Von dort aus ging es aus Santos heraus auf die Autobahn und wir dachten schon an Entfuehrung, bis wir herausfanden, dass wir ins etwa 25 Kilometer entfernte Guaruja gebracht werden sollten, wo es einen weiteren Containerterminal gibt, an dem die Rio de la Plata liegt.

 

Am Tor des dortigen Terminals wurden die Nummern der Plomben an unseren Rucksaecken mit denen auf den Zollpapieren verglichen und anschliessend durften wir ansonsten unbehelligt passieren. Es ging ueber das Hafengelaende bis an den Kai, wo wir endlich „unser“ Schiff liegen sahen. Die Beladung des feuerroten Containerriesen war gerade in vollem Gange, trotzdem durften wir direkt an Bord und wurden freundlich auf hamburgisch vom ersten Offizier empfangen. Nachdem wir unsere Paesse und Impfausweise im Buero abgegeben hatten, bekamen wir unseren Kammerschluessel und wurden aufs F-Deck direkt unter der Bruecke geleitet, wo sich die Eignerkabine befindet, in der wir die naechsten drei Wochen wohnen werden. Hier werden wir es sicherlich gut aushalten koennen, ein grosser Wohnbereich mit gemuetlicher Sitzecke, riesigem Schreibtisch, DVD-Player und Kompaktanlage gehoert ebenso zu unserem „Reich“, wie der angrenzende geraeumige Schlafraum mit zwei Betten, sowie ein kleines Badezimmer.

 

Nachdem wir uns eingerichtet hatten, schauten wir durch unsere Fenster den Containerbrueckenfahrern beim Beladen des Schiffes zu, bis um zwoelf Uhr unser Telefon klingelte und der Steward uns zum Mittagessen bat. In der Offiziersmesse auf dem C-Deck waren wir die einzigen „Gaeste“, bis einer der Offiziere zu uns stiess. Waehrend des Essens (Thunfischsteak mit Kartoffeln und Erbsen) erzaehlte dieser uns, dass wir ziemlich sicher schon am 05.02. um 17:00 Uhr in Hamburg einlaufen werden, einen Tag frueher als wir gedacht haben und exakt ein Jahr nach unserer Abreise aus Wilhelmshaven! Ausserdem erfuhren wir noch, dass wir heute Abend um 19:00 Uhr auslaufen werden.

 

Nach dem Essen schauten wir uns ein wenig auf dem Schiff um: Der Freizeitraum der Offiziere sieht mit Bar, grossem Fernseher und riesiger DVD-Kollektion ziemlich gemuetlich aus, der „Fitnessraum“ ist mit Kickertisch, Tischtennisplatte und Dartscheibe eindeutig fuer den Kneipensportler ausgelegt, der Innenpool ist (noch?) leer und die Sauna kalt.

 

Den Rest des Nachmittages verbrachten wir bei einer der DVDs, die wir uns gestern noch in Santos gekauft hatten – Ultimate Fighting Championships in Rio, ganz unterhaltsam! Beim Abendessen (Bockwurst mit Kartoffelsalat und gutes, deutsches Grau- und Schwarzbrot – herrlich!) erzaehlte uns der Offizier, den wir schon heute Mittag getroffen hatten, dass wir erst morgen frueh auslaufen werden koennen, da die Hafenarbeiter streiken und nun eine Fremdfirma angeheuert werden muss. Gegen 22 Uhr sahen wir dann aus unserer Kabine heraus, dass die Beladung des Schiffes fortgesetzt wurde. Schon beeindruckend, wie die grossen Container wie kleine Legosteine spielerisch im Schiff aufgestapelt werden.

 

Ich bin schwer gespannt, wann es endlich losgeht und was uns auf dieser Reise erwartet!

 

 

Tag 2, 18.01.2012

Heute morgen wurden wir um zwanzig nach sechs vom Diesel geweckt und beim Blick aus dem Fenster sahen wir, dass wir gerade dabei waren abzulegen. Eine gute dreiviertel Stunde schauten wir dabei zu, wie sich das nur etwa zu einem Viertel beladene Schiff langsam im Hafenbecken drehte und dann im Morgengrauen in Richtung offener See fuhr. Nachdem wir uns noch eine Runde hingelegt hatten, gingen wir um kurz nach acht zum Fruehstueck, wo wir Kapitaen und ersten Offizier trafen. Anschliessend gingen wir zu unserer Bordroutine ueber: Lesen und aus dem Fenster geiern.

 

Das Mittagessen liessen wir aus Diaetgruenden ausfallen und um ein Uhr gingen wir ins Schiffsbuero, wo der dritte Offizier wegen der Sicherheitseinweisung schon auf uns wartete. Er erklaerte uns alle Sicherheitseinrichtungen des Schiffes, zeigte uns die Rettungsboote und fuehrte uns einmal um das 286 Meter lange Schiff herum. Wenn man an den Containern vorbei geht und die riesigen Winschen und Festmacherleinen auf dem Bug sieht, kommt man sich ziemlich klein und zerbrechlich vor!

 

Nach dem Abendessen holte wir uns die mittags im Duty-free Shop des Stewards bestellte Kiste Bier auf dem A-Deck ab – 10,40 Euro fuer 24 Flaeschchen, da kann man nicht meckern!

 

Nachdem wir spaeter im Freizeitraum ein paar frisch gezapfte mit einigen Offizieren getrunken hatten, gingen wir vor dem ins Bett gehen nochmal an Deck. Das Schiff ist kaum beleuchtet und neben den blinkenden kleinen Lichtern der Kuehlcontainer sahen wir in der Ferne die Lichter einiger Bohrplattformen unter einem wahnsinnigen Sternenhimmel. Abermillionen kleine Lichter leuchteten vom pechschwarzen Nachthimmel auf uns herab, so dass wir dachten unter einer riesigen Kuppel zu stehen.

 

 

Tag 3, 19.01.2011

Seit gestern Mittag fahren wir ueber die offene See, ohne Land in Sicht. Das Wetter ist herrlich sonnig, warm mit kraeftigem Wind und wenig Seegang. Den Tag verbrachten wir groesstenteils mit lesen, schlafen und essen (mittags Roulade und abends Hamburger). Am spaeten Vormittag zogen kurz ein paar Schauer durch und ansonsten ist nichts als tiefblaues Wasser bis zum Horizont zu sehen, nicht einmal Seevoegel lassen sich blicken. Am Abend wollten wir eigentlich eine von unseren DVDs schauen, als wir aber bei ungefaehr der Haelfte eine Pause einlegten, wurden wir vom Kapitaen auf dem Gang abgefangen und zur Bar dirigiert. Einige Bier spaeter waren wir dann nur noch zum ins Bett gehen faehig und vertagten den Rest des Filmes auf morgen.

 

 

Tag 4, 20.01.2012  

Alles beim Alten, aussenbords nur Wasser und gutes Wetter. Allein die Farbe des Wassers scheint sich ein wenig hin zu einem dunklen Violett veraendert zu haben. Morgen Abend sollen wir in Pecem einlaufen, mal schauen, ob wir dort einen Landgang einlegen koennen.

 

Bei meinem nachmittaeglichen Decksspaziergang konnte ich einen fliegenden Fisch beobachten, den ich zunaechst fuer einen kleinen Seevogel hielt. Zudem habe ich meinen Lieblingsplatz an Bord entdeckt: ganz vorne auf dem Bug ist weder von der fast 61.000 PS starken Hauptmaschine noch von den droehnenden Kuehlcontainern etwas zu hoeren, zwischen den riesigen Ankerwinschen und den Festmacherleinen herrscht eine herrliche Ruhe, geradezu idyllisch!

  

Highlight des Tages: Feueruebung! Gegen drei Uhr ertoente das Alarmsignal und alle an Bord fanden sich mit Ihren Schwimmwesten auf dem Oberdeck ein. Da ich sowieso gerade an Deck zwischen den Containern rumturnte, hatte ich es nicht weit, aber auch Tianne erwachte aus ihrem Nachmittagsschlaf und fand sich wenig spaeter an der „Muster Station“ ein. Anschliessend schauten wir noch dabei zu, wie das fiktive Feuer im Motorraum geloescht wurde, bevor wir wieder „auf Kammer“ gingen.

 

Am Abend sassen wir wieder mit den Offizieren an der Bar und erfuhren bei der Gelegenheit, dass es noch einen richtigen Fitnessraum mit Hantelbank, Laufband, etc. gibt und dass der Pool mittlerweile taeglich frisch mit Meerwasser befuellt wird.

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