Wahlkampf in Argentinien

Am Sonntag war Praesidentschaftswahl in Argentinien, und gleichzeitig wurden verschiedene Intendentes, Gobernadores und Diputados gewaehlt, was das genau auch immer sein mag.

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Schon seit wir im Land unterwegs sind, und das sind ja mittlerweile schon 6 Wochen, sind die Staedte flaechendeckend mit Wahlplakaten zugepflastert. Da gibt es nicht nur wie bei uns grosse Plakatwaende und Schilder an Laternenpfaehlen, sondern jede irgendwie verfuegbare Flaeche wird gnadenlos dichtgekleistert, Bauzaeune, Hauserwaende (auch gerne gleich mit Wandfarbe statt mit Postern) und Fussgaengerueberwege auf dem Boden, so gut wie nichts ist sicher.

 

Cristina Fernandez de Kirchner machte sich berechtigte Hoffnungen auf eine Wiederwahl und war auch staendig in einem Fernsehspot in Evitapose zu bewundern, wie ihr das Volk frenetisch zujubelt. Je nach Provinz war sie auf den unzaehligen Wahlplakaten mit verschiedenen Herren zu sehen, die offenbar fuer irgendein anderes zur Wahl stehende Amt kandidierten. Wir witzelten schon, dass es die Cristina offenbar mit jedem macht...Letztendlich hat sie die Wahl mit 53% gewonnen, wobei das schon etwas fragwuerdig erscheint, denn seit ihrem Amstantritt 2008 haeuften sich die unpopulaeren Entscheidungen und Undurchsichtigkeiten, und wir haben auch schon jede Menge abgeneigte Kommentare von Einheimischen vernommen. Die gesamte Konstellation ist merkwuerdig, die Cristina war naemlich urspruenglich die First Lady Argentiniens und ist erst dann zur Praesidentin gewaehlt worden, als ihr Ehemann nicht mehr kandidierte (und 2010 verstarb). Man stelle sich vor, die Angie hat keine Lust mehr, und dafuer wird kurzerhand ihr Mann Bundeskanzler!

 

Die Hauptstadt der Wahlkaempferei war anscheinend Malargüe. Schon bei der Einfahrt in die Kleinstadt wurde man fast blind von dem rot-weissen, quer ueber die Strasse gespannten Faehnchenmeer, das fuer die Wahl eines gewissen Herrn Tieppo zum Intendente werben sollte. Dieser Herr Tieppo hatte auch direkt auf der Hauptstrasse sein Wahlkampfbuero, von dem aus es den ganzen Tag lautstark durch die Stadt schallte. „Es kommen gute Zeiten. Es kommt ein guter Intendente!“ toente es da unablaessig aus den riesigen Boxen, zusammen mit einem Jingle, der direkt aus einer Waschmittelwerbung zu stammen schien. Wir haben im Café nebenan einen Kaffee getrunken, als ploetzlich ein riesiger, komplett mit Tieppo-Fratze beklebter Pick-Up neben uns am Bordstein hielt, der zukuenftige Herr Buergermeister persoenlich dem Gefaehrt entstieg und taenzelnderweise in seinem Wahlkampfbuero verschwand. In letzter Minute hat er uebrigens auf den Gebrauch seines Spitznames „Titti“ bei der Wahlwerbung wohl doch verzichtet: nur ein einziges Plakat mit diesem fuer einen serioesen Politiker doch eher unpassenden Namen haben wir in einer versteckten Ecke entdecken koennen.

 

Es wimmelte in der ganzen Stadt von mit Wahlwerbung beklebten Autos, vom modernen Mittelklassewagen bis zur fast schon auseinanderfallenden Schrottmuehle war alles dabei. Dazu gab es noch jede Menge Lautsprecherwagen, die mit vollem Wahlwerbungsgetoese durch die Stadt schleichen. So etwas finde ich ja immer ganz schoen unheimlich, erinnert irgendwie an den Orwell-Roman „1985“.

 

Am letzten Tag in Malargüe hatten wir nichts Aufregendes mehr zu tun, also setzten wir uns ein Stuecken weiter in ein anderes Café, und konnten den Angriff der Gegenkandidaten live verfolgen. Im Fuenfminutentakt fuhren Autocorsos mit ohrenbetaeubenden Hupkonzerten durch die Stadt, jubelnde und fahnenschwenkende Menschen draengten sich auf den Ladeflaechen von Pickups und haengten sich aus den Seitenscheiben wie nach einem gewonnenen Fussballspiel. Interessanterweise handelte es sich dabei zum groessten Teil um Privatfahrzeuge, die notduerftig mit Plakaten des jeweiligen Favoriten der mindestens fuenf zur Wahl stehenden Parteien beklebt waren. Auch einige Ueberlaeufer waren dabei: Das Auto vorne noch mit dem Konterfei der Cristina verziert, hinten wurden aber Poster einer anderen Partei geschwenkt. Das nennt man dann wohl Wechselwaehler! Die Anzahl der an den Jubelaktionen beteiligten Kinder sprach uebrigens dafuer, dass die Unterstuetzer samt und sonders von den einzelnen Kandidaten gekauft wurden.

 

Wofuer genau sich die Cristina nun politisch einsetzt, habe ich nicht herausgefunden, Umweltschutz kann es aber nicht sein, denn nach einem ihr gewidmeten Corso war die Stadt komplett zugeschneit mit Flugblaettern.

 

Den finalen Gegenschlag von Tieppo, der aus einer grossen Kundgebung am Hauptplatz bestand (wo es womoeglich Freibier gab?) konnten wir leider (?) nicht mehr mitverfolgen, weil wir uns (endlich) auf den Weg zum Busbahnhof machen mussten.

 

Am Abend vor der Entscheidung wurden wir noch ein weiteres Mal „Opfer“ der Wahl, dieses Mal in Bariloche. Beim Blick in die Weinkarte zum Abendessen wurden wir vom Kellner entschuldigend darauf hingewiesen, dass zwischen 20 Uhr am Wahlvorabend und 20 Uhr am Wahltag landesweit kein Alkohol verkauft werden darf! Tatsaechlich waren sogar die Bierkuehlschraenke in den Kiosken mit Pappe abgklebt mit dem Hinweis auf das Verkaufsverbot. Soll das jetzt verhindern, dass die Leute mit Restalkohol waehlen gehen und sich hinterher beschweren, das Kreuzchen deswegen an der falschen Stelle gemacht zu haben? Oder soll es die Wahlbeteiligung erhoehen, indem verhindert wird, dass das Volk verkatert im Bett liegt und den Wahltag verpennt? Oder werden damit womoeglich sogar Strassenschlachten politischer Gegner verhindert, die sonst in der Hitze des Gefechts unter Alkoholeinfluss ausbrechen koennten? Man weiss es nicht! Zum Glueck hatten wir noch eine Flasche Wein aus Mendoza im Gepaeck, die wir in unserer Hostel-Luxussuite (ja, sowas gibt es auch!) genuesslich verzehrt haben.

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Kommentare: 4
  • #1

    buchner (Dienstag, 25 Oktober 2011 12:20)

    tianne warum kandidierst du nicht nicht watt für
    ein spassssssssssssssssssss.gruß an justus und
    noch aufregende tage und wochen.
    LG gerd

  • #2

    muddi (Donnerstag, 27 Oktober 2011 19:46)

    na,das ist ja ne aufregende Sache gewesen da mittenmang die Einheimischen.Die feiern ja wie Karneval oder Volksfest bei Wahlen,egal,was dabei rauskommt.Kenn ich von Dom.Rep.Und sinnvoll ist das schon mit vorher nix saufen,aus genau den genannten Gründen.LG Muddi

  • #3

    Schnecke (Samstag, 29 Oktober 2011 18:49)

    Hallo Tianne, deine Karten trudeln ja immer noch zahlreich hier bei uns ein. Vielen Dank dafür, ich weiß gar nicht wie du das schaffst, bei so einem spannenden Wahlkampf. Ja, was gibts bei uns neues? Eigentlich alles beim Alten. Anna und Lea geben uns täglich neue Geschenketipps. Du weißt am 18.November ist es wieder so weit. Soviel sei verraten, es wird keine Schlafparty! Also, noch ganz viel Spaß wünschen wir dir und Justus. Ich schreibe dir bald wieder! L.G. Schnecke

  • #4

    muddi (Sonntag, 30 Oktober 2011 14:40)

    Vielen Dank für so viele Postkarten auf einmal.Die Wand füllt sich,dass man schon in die Knie gehen muss,um noch alles zu lesen.Heute ist Zeitumstellung,hab aber durchgefeiert und so davon nix gemerkt.Muss nochmal ins Bett.Knutsch M