Herumreiserei

Am Donnerstag hiess es Abschied nehmen vom Farmleben, weiter ging es mit dem Bus nach Fray Bentos, um uns die dortige 1865 von Justus Liebig gegruendete und mittlerweile zum Museum umgebaute Konservenfabrik anzuschauen. Die dort hergestellten Produkte hatten seinerzeit Weltruhm (sogar heute gibt es in England noch Konserven der Marke „Fray Bentos“) und die Ausstellung ist sehr liebevoll gestaltet – allerdings nur auf spanisch und unsere „englischssprachige“ Privatfuehrerin hatte die Fremdsprache auch schon sehr lange nicht mehr praktiziert...

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Von Fray Bentos fuhren wir mit dem Bus nach Salto an der argentinischen Grenze – dort gibt es genaugenommen gar nichts zu sehen, aber um zurueck nach Argentinien zu gelangen, war ein Stop notwendig. Am naechsten Morgen erforschten wir dann die Moeglichkeiten, und am praktikabelsten erschien uns eine Faehre ueber den Rio Uruguay ins Nachbarland. Wie genau das allerdings vonstatten gehen sollte, war uns mal wieder bis kurz vor knapp voellig unklar, sah das abgebrochene und mit einem Bauzaun verrammelte Tickethaeusschen fuer die Faehre doch nicht gerade danach aus, als ob dort in den letzten 10 Jahren Fahrkarten verkauft worden waeren, und ein Faehranleger war auch nirgendwo zu sehen. Aber, oh Wunder, etwa eine halbe Stunde vor Abfahrt des Bootes tauchte eine junge Frau auf einem Motorroller auf, bahnte sich von hinten einen Weg durch die Absperrung in die Bude und verkaufte uns die Billets durch ein Loch im Zaun. Dann schickte sie uns auf den Kai in das feudale Zollabfertigungsgebaeude (von aussen allerdings nicht als solches, sondern als Museum tituliert). Dort hiess es dann erst einmal 20 Minuten abwarten, bis der Grenzbeamte schliesslich auftauchte und der Voreinweiser, der sich vorher als Passagier getarnt interessiert nach unserer Herkunft erkundigt und mir Kontaktlinsen angeraten hatte (offenbar fand er meine neue Brille ziemlich haesslich...), seinen Passvorkontrollier-Posten bezog. Die Formalitaeten gingen dann recht zuegig vonstatten und wir dackelten den wenigen uebrigen Passagieren hinterher, um die „Faehre“ zu finden – ein Loch im Kai mit einer Treppe und eine Plattform auf die andere Seite unter dem Betonsteg fuehrten uns schliesslich zum Boot. Die Ueberfahrt dauerte etwa 15 Minuten, und in Concordia holte uns der argentinische Grenzbeamte am Boot ab und geleitete uns zu seinem Kontrollhaeuschen ca. 300m weiter. Interessant war die „Agrarkontrolle“: Das erste Mal wurden unsere Rucksaecke tatsaechlich gefilzt, allerdings darf bezweifelt werden, dass die gestrenge Dame tatsaechlich etwas finden wollte, denn Panzerkekse (nicht so schlimm) und Honig (hochverboten!) entdeckte sie trotz gruendlicher Geierei nicht.

 

In Concordia gibt es auch nichts zu sehen, deswegen ging es am naechsten Tag auch gleich im Nachtbus weiter nach Puerto Iguazu, und das war wohl der beste Bus, den wir jemals erlebt haben. Im oberen Abteil bezogen wir megabreite, superweiche, mit Decke und Kissen ausgestattete Liegesitze, und dazu gab es einen schick gekleideten Busbegleiter, der ein heisses Abendessen und anschliessend noch Sektchen serviert hat. So schlummerten wir aeusserst entspannt und bekamen vor der Ankunft 13 Stunden spaeter noch ein reichhaltiges Fruehstueck gereicht. Das war fast so super wie die Zugfahrerei in Russland, bald unternehmen wir bestimmt eine ueber 20-stuendige Etappe auf diese Weise, zumal die Sanitaeranlagen mindestens so gut waren wie in der russischen Bahn und wir ja noch bis nach Feuerland wollen! Argentinische Reisebusse bieten allgemein einen hohen Komfort, der Brueller passierte auf der verhaeltnismaessig kurzen Fahrt von Puerto Iguazu nach Posadas (5 Stunden), auf der der Busbegleiter um zehn vor elf morgens eine Runde pappsuessen hochprozentigen Schokoschnaps ausgeschenkt und Bonbons verteilt hat. Das kann man sich doch gefallen lassen!

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