Auf den Spuren des Vietnamkrieges

Von Hue aus unternahmen wir am Montag einen Ausflug in die (ehemalige) demilitarisierte Zone (DMZ), die bis 1976 die Grenze zwischen Nord- und Suedvietnam darstellte und der Schauplatz der heftigsten Kaempfe im Vietnamkrieg war.

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Dabei wurden wir von Lan, einem suedvietnamesischen Kriegsveteranen, der sieben Jahre Lang an der Seite der USA kaempfte, gefuehrt. Dem winzigen Lan sah man aber auch schon von weitem seine Sympathien zu US-Amerika an: Grosse Ray Ban Fliegerbrille, Pornobalken und Cap, dazu ein schickes Hemd und eine schlichte Hose... Kleidungstechnisch verrieten einzig die Filp-Flops (wobei diese immerhin auch von Converse waren) seine eigentliche Herkunft.

 

Waehrend des Krieges war er Leutnant 2. Grades und Spaehtruppfuehrer fuer die Amis, die ihm ein fuerstliches Monatsgehalt von 5.000 USD zahlten, zu dieser Zeit das Vielfache eines Jahreseinkommens eines durchschnittlichen Vietnamesen! Dafuer haette er sich aber auch mit der Giftkapsel, die ihm in einen Zahn implantiert wurde, selbst toeten muessen, waere er in die Haende des Feindes geraten – Er wusste halt einfach zuviel!

 

Heute hat er allerdings durch die ganze Geschichte eine ziemliche Arschkarte gezogen: Von den Amis fuehlt er sich (zurecht!?) im Stich gelassen, nach dem Krieg wurde er komplett enteignet (Haus weg, Bankkonten leergeraeumt) und in ein Umerziehungslager gesteckt. Dort gehoerte das Mienenraeumen per Hand zu seinen taeglichen Aufgaben, was er im Gegensatz zu vielen seiner Leidensgenossen, aufgrund seiner Erfahrung als Scout ueberlebte. Nach seiner Flucht aus dem Lager konnte er sich immerhin einigermassen ein neues Leben aufbauen. Jahre spaeter hat er dann versucht eine Entschaedigung von der US-Regierung zu erhalten, seine Briefe blieben aber unbeantwortet, vermutlich auch deshalb, weil er alle seine Papiere nach dem Krieg aus Angst vor den Nordvietnamesen verbrannt hatte. Bei einem spaeteren Treffen mit einem ehemaligen amerikanischen Kameraden in Vietnam versprach dieser ihm zu helfen und ein gutes Wort bei der Regierung fuer ihn einzulegen. Als dies jedoch auch scheiterte, schenkte ihm der Ex- GI 1.000 Dollar aus seinem Privatvermoegen, wovon Lan sich einen neuen Motorroller kaufte. Dummerweise wird der arme Lan auch heute noch als Sympathisant der Amerikaner pausenlos und sogar von seinen Nachbarn bespitzelt, die seine Neuanschaffung prompt verpfiffen. Dem Knast konnte er daraufhin nach endlosen Verhoeren nur durch die Zahlung von 500 USD entgehen, wofuer er seinen Roller wieder verkaufen musste... Als ob das alles noch nicht genug waere, beschimpfte ihn seine kleine Tochter wegen seiner Vergangenheit vor Kurzem auch noch als schlechten Menschen. Leider kann er ihr (noch) nicht seine Sicht der Dinge erklaeren, da die Gefahr, dass sie sich in der kommunistischen Schule verplappert, einfach zu gross ist.

 

Lan erzaehlte uns sehr lebhaft von seinen Erfahrungen im Krieg, immer wieder mit Originalzitaten von GIs („Fuck you, Motherfucker!“ und aehnliches) gespickt. Der Hauptgrund des Scheiterns der Amerikaner war laut Lans Aussage einfach, dass sie viel zu faul zum Kaempfen waren und sich die Zeit lieber mit kiffen und saufen vertrieben haben („GIs so lazy: drinking, smoking, homesick“). Das Ganze ging sogar so weit, dass er einige Kameraden bei Angriffen auf das Camp verloren hat, weil diese einfach zu breit waren um rechtzeitig in den Bunker zu kommen.

 

Ein weiteres Problem war das Identifizieren des Feindes: Vietcong, die mit den Nordvietnamesen sympatisierenden „Befreiungskaempfer“ im Sueden und Suedvietnamesen sind eben „same, same“ – „same face, same skin“ und optisch nicht voneinander zu unterscheiden. Lan erzaehlte uns, dass die Amis deswegen ueber den Waeldern in Vietnam und Laos, wo sich die Vietcong vornehmlich aufhielten, Chmikalien verspruehten, um spaeter den Feind an Checkpoints durch eine spezielle Scanmethode an Rueckstaenden dieser auf Haut und Haaren zu identifizieren.

 

In der DMZ angekommen, hielten wir zunaechst an einer voellig ausgebombten ehemaligen katholischen Kirche, die man als Mahnmal dort so stehen gelassen hat. Das Gotteshaus befand sich in einem schwer umkaempften Areal und wurde von den Vietcong besetzt, woraufhin die US Army alles grossflaechig bombadiert hat. Laut Lans Aussage hiess die Devise der Amis fuer dieses Gebiet „no house, no tree“. Das dieser Landstrich einer der am staerksten jemals bombardierten der Welt ist, konnten wir auch an mehreren gesichteten europaeischen Minen- und Bombenentschaerfungsteams erkennen. Beim Anblick eines der Teams bei der Arbeit in einem Waldstueck direkt neben der Strasse konnte einem schon ein wenig mulmig werden... Lan erzaehlte uns dort noch ein paar weitere Geschichten aus seiner Vergangenheit, so wurde er im Krieg zwar nie verwundet, bekam aber dreimal Malaria, worauf er es allerdings ob des daraus resultierenden mehrtaegigen Fronturlaubes, auch etwas angelegt hatte. Bei einem dieser „Urlaube“ hat er auch beobachten koennen, was mit den gefallenen GIs tatsaechlich geschah. Aus Vietnam wurden sie noch ausgeflogen, allerdings nur bis nach Thailand, wo ihnen die inneren Organe entfernt wurden, bevor sie in die USA verschifft wurden. Das „Ausnehmen“ war noetig, um den schlimmsten Geruch auf der langen Schiffsreise zu verhindern, haette die Angehoerigen aber wohl nicht sehr erfreut, wenn sie das gewusst haetten...

 

Den naechsten Halt legten wir bei den „Vinh Moc“ Tunneln der Nordvietnamesischen Armee (NVA) ein. Dieses ueber drei Etagen und bis zu 23m tiefe, in den Lehmboden gegrabene Tunnelsystem diente in erster Linie der Lagerung von Waffen und Munition, die ueber eine vorgelagerte Insel aus Russland und China kamen. Ausserdem fand dort auch die Bevoelkerung des nahegelegen Dorfes bei Angriffen Schutz. Viel Platz war dort unten nicht, sogar Tianne musste streckenweise den Kopf einziehen! Trotzdem war alles vorhanden, was die Schutzsuchenden waehrend der teilweise mehrere Tage dauernden Bombardierungen benoetigten: Mehrere Brunnen, eine Toilette, ein Geburtsraum und ein kleiner, behelfsmaessiger Operationssaal. Das ganze Gebiet um die Tunnel ist demnach auch mit Bombenkratern in allen Groessen uebersaet, jedoch schafften die Amis es nur ein einziges Mal einen Tunnel mit einer Bombe zu treffen. Diese zuendete aber nicht und das Loch wurde von der NVA anschliessend als Belueftungsschacht genutzt.

 

Nachdem wir uns noch einen Friedhof, auf dem, groesstenteils namenlose, Nordvietnamesen bestattet wurden (fuer die gefallenen Suedvietnamesen gibt es natuerlich keine Grabstaetten) und ein voellig ueberwuchertes ehemaliges US-Camp angeschaut hatten, ging es weiter zur ehemaligen Grenze zwischen Nord- und Suedvietnam am Ben Hai Fluss. Neben riesigen nach Sueden gerichteten Lautsprechertuermen fuer kommunistische Propaganda waehrend der Teilung und einigen „roten“ Monumenten schauten wir uns dort auch noch ein kleines Museum, welches in erster Linie Fotos der „glorreichen“ Sieger ausstellt, an.

 

Den letzten Stopp legten wir an einer von den Amerikanern total zerbombten Schule ein. Tja, die Devise hiess eben „clear the area“, also „no house, no tree“! Die Bewohner des Dorfes waren aber angeblich schon vorher allesamt gefluechtet, das Gebaeude wurde als Mahnmal im ausgebombten Zustand belassen und nebenan eine neue Schule gebaut. Ganz schoen spannend, in der vermutlich hochgradig einsturtzgefaehrdeten Ruine herrumzuturnen, besonders im 1. Stock...

 

Auf der anschliessenden Rueckfahrt nach Hue konnten wir das Erlebte noch einmal Revue passieren lassen und waren uns einig, dass es sehr interessant war, nach den ganzen „offiziellen“ Darstellungen mal eine andere Stimme aus dem Volk zu hoeren. Wer nun Recht und wer Unrecht hat sei einmal dahingestellt, „befreit“ fuehlt sich der gute Lan aber jedenfalls sicher nicht!

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Kommentare: 2
  • #1

    muddi (Samstag, 14 Mai 2011 10:28)

    sehr beeindruckende reportage,alle achtung.ist wohl auch beklemmende stimmung da in der ganzen ecke.wie gehts uns doch gut hier.hab euch lieb.lg muddi

  • #2

    muddi (Samstag, 14 Mai 2011 20:55)

    hi,bin erkältet und sitze hier alleine,tianne,ich hätte dich jetzt so gerne hier.lena und ihr eurovisioncontest anschauen ist fast so lonely unerträglich. miss you love muddi!!!